Wirtschaftsstandort Pustertal

Auf die Frage, in welchen Sektoren sich die besten Zukunftschancen ergeben werden, antworteten unter anderem die Experten mit:

Handwerk und Tourismus.

Welche Rahmenbedingungen müssten sich verändern, damit junge Menschen besser eine qualifizierte Arbeit im Pustertal finden und Abwanderungstendenzen bzw. Beschäftigung unter dem Qualifikationsniveau entgegengewirkt werden kann?

Antworten der Experten unter anderem durch:

  • Weiterentwicklung der Region
  • Lebensqualität nach außen und innen vorantreiben
  • Fokussierung auf die Stärken, die in der Region vorhanden sind … (dp)

 

Ohne Ideen und Konzepte schaut eine Entwicklung für das Jahr 2030 dann so aus, umgelegt auf ein fiktives Osttiroler Dorf „Oberwald“ in einem Seitental.

Dorfrundgang in „Oberwald“ im Jahre 2030:

Wir fahren mit dem Postbus von Lienz nach Oberwald. Das Fahrplanangebot ist stark reduziert worden auf drei Fahrten pro Woche, einmal hin und zurück pro Tag. Ein Blick aus dem Fenster des älteren Postbusses, der als in Innsbruck ausgemusterter hier eingesetzt wird, zeigt, dass das Dorf vor allem von Wald, teilweise von Buschlandschaften umgeben ist. Verglichen mit der Zeit vor 20 Jahren ist die Hälfte der Weidelandschaft zugewachsen.

Zuerst schnell eine Tasse Kaffee beim „Tiroler Wirt“, das einzige Wirtshaus am Platz, das nur an den drei Postbustagen offenhält und am Sonntag, der Kirchgänger wegen. Wirt und Personal wohnen nicht mehr im Ort, sie pendeln von Kufstein und Lienz her, mit den Privatautos. Frau Vanuta, 22 J., die uns heute bedient, stammt aus Tuvalu, das auf Grund des Anstiegs des Meeresspiegels 2025 endgültig im Pazifik versunken ist. Sie wohnt in Kufstein, studiert Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck.

Herr Oberwalder, 72 J., Bürgermeister seit 22 Jahren, begrüßt uns freundlich und informiert mit einigen Zahlen zur Entwicklung von Oberwald in den letzten Jahrzehnten. Die Bevölkerung ist seit 2009 von 620 auf 334 gesunken, weil die Jungen wegziehen. Die alpinen Zentren um Kufstein, Innsbruck oder der Ballungsraum Graz bieten attraktive Arbeitsplätze. Die Höfe, die sie verlassen haben, werden von den Alten noch erhalten – bewirtschaftet kann man dazu nicht sagen. Für später, meinen die Alten, wenn die Jungen aus der Stadt die gute Luft für den Rest des Jahres hier tanken wollen.

80 Prozent der Erwerbstätigen sind Auspendler, die meisten Wochenpendler, im Ort selbst gibt es, außer im Laden und dem Mechaniker mit Garage, keinen Arbeitsplatz. Die regionale Wertschöpfung beträgt 18.000 Euro, rund 30 Prozent weniger als 2010. Die Transferzahlungen sind um 55 Prozent gegenüber 2010 zurückgegangen trotz höherer Steuererträge im Bund.

Am Nebentisch sitzt Patrick Oberhofer, 38 J., IT-Spezialist in Graz, Wochenpendler und Obmann des einzigen Vereins, der in Oberwald verblieben ist, der Feuerwehr. Musik, Schützen, Landjugend sind „ausgestorben“- für gemeinsame Veranstaltungen fand man einfach keine gemeinsame Zeit mehr. Auch der Kirchenchor ist aufgelöst, warum auch, findet der Pfarrer nur jeden zweiten Samstag abends hier herauf zur Messe, sein Gebiet das er betreut ist weit. Selbst die Feuerwehr, meint Oberhofer, ist eine „Notorganisation“, 16 Mann zuständig für alles – Feuer, Rotes Kreuz, Katastrophenschutz. Sein Stellvertreter, Nebenerwerbsbauer und Tagespendler nach Lienz kann sich zeitlich dieses Engagement auch bald nicht mehr leisten.

Der Postbus hat Post gebracht, von Fr. Lebeknecht aus Wien. Sie hat eine Freundin hier, kommt einmal im Sommer, drei Tage, Natur schauen, wie sie sagt. Die Karte stammt dieses Mal aus der Thermenregion, die letzten Male aus Riga, aus Zanzibar, aus Buthan – Reisen, so meint Frau Lebeknecht, eine rüstige Frau Mitte 60, ist billig geworden und die fremden Länder interessant, voller Leben, neu, und die Häuser bequem mit allem Komfort. Sie ist noch treu, der Theres wegen, meint Patrick. Die Herren Jung, Bohlender, Girardi, die immer Mountainbiken waren, sind seit fünf Jahren nicht mehr gekommen. Es fehlt das SPA, meinten sie das letzte Mal, und der Internetanschluss sei zu langsam. Die Frau Lebeknecht wohnt ja privat, wie die anderen Gäste, die meist einen Tag bleiben, auch Urlaub auf dem Bauernhof, billig und so urig. Deshalb hat man den Gasthof auch so belassen, wie er ist, nur die Stube hat man neu gemacht, der Gäste wegen, die eine Tiroler Stube sehen wollen.

 Auf dem Spaziergang durch das Dorf trifft man Karl Kasebacher, 52 J., Nebenerwerbsbauer, der seine Milch täglich zur Sammelstelle im Tal liefert, wenn er als Arbeiter des E-Werkes den Dienst antritt. Seine Kinder besuchen die Kreisschule in Matrei, 25 Minuten mit dem Bus zu fahren, jeden Tag um ¾ 6 aufstehen. Gott sei Dank gibt es die Ganztagsschule, man wüsste sonst nicht, wie die Kinder nach dem Vormittagsunterricht heimkämen. Die alte Volksschule im Dorf wurde 2018 geschlossen, wegen Kindermangel und den Kosten. Kleinstschulen rentieren nicht, heißt es in Wien und Innsbruck. Das Schulhaus steht zum Verkauf, auch das Haus daneben, wo die Frau Lehrerin immer gewohnt hat. Am Anfang, als der Verkauf angekündigt worden ist, ist der Makler aus Lienz mit ein paar Ausländern gekommen, als Ferienhaus neben einem am Meer;  jetzt kommt gar keiner mehr. Gut, dass hier keine jugendlichen Randalierer mehr wohnen, wenigstens sind die Fenster heil und die Mauern nicht besprayt.

Oberhalb des Dorfzentrums steht die Talstation des Sesselliftes, der 2013 den Skilift ersetzt hat, weil man sich das große Geld durch neue Skibegeisterte erhoffte. Heute ist der Sessellift nur mehr am Wochenende in Betrieb, wenn im übrigen Land schneearme Winter sind, dann ist er rentabel. An der Rückzahlung der Annuitäten knabbert die Gemeinde hart, die Beiträge vom Land sind schon lange verbraucht; der Kiosk, der 2014 neu gebaut wurde und Skiverleih und, wie es so schön hieß, „örtliches Handwerk“ (Wollkappen und Handschuhe mit einem Hirsch drauf, gestrickt von fünf Frauen im Dorf) angeboten hat, ist nur mehr „Aufenthaltsort“ für einige Automaten für Getränke und Knabbereien. Nur der „Tiroler Wirt“ verdient mit seinen Würsten und Knödel, die seine, für das Wochenende aus den Frauen des Dorfes zusammengestellte Küchenpartie, liefert. Nur die Küche ist neu – EU Standard erklärt der Wirt, wegen der Kontrolle vom Sanitätsdienst.

Der Bäcker aus Matrei fährt vor: im Dorf wird’s lebhaft. Broteinkauf für drei Tage, am Samstag kommt er wieder. Wer etwas vergisst, muss die Tagespendler beauftragen, es mitzubringen. Einkaufen, so Maria Tschurtschenthaler, die Besitzerin des „Ladele“, gehen die Leut‘ nach Lienz, nur das was man vergisst, das alltägliche, wird bei ihr gekauft. Salz, die Wischtücher, ein paar Kekse, wenn überraschend Besuch kommt. Ladenzeiten gibt es nicht, sie wohnt über dem Laden, läuten genügt. Sie hat, lacht die 76-Jährige, rund um die Uhr offen, wie in der Stadt.

Bevor  wir den Postbus wieder besteigen, reden wir noch mit Martin Kalser, dem Inhaber der „Garage“, wie es heißt: dem Dorfmechaniker mit Tankstelle. Das Geschäft läuft gut, meint er, er repariert hauptsächlich die paar landwirtschaftlichen Geräte, ist Hydrauliker und Elektriker in einem und am Wochenende versorgt er die Wochenendbesucher, die vergessen hatten in der Stadt zu tanken. Aber er überlegt sich, nach Villach zu ziehen – dort könnte er Leiter der Audi-Servicestelle werden. Mit einem doppelt so hohen Einkommen wie jetzt.

Dieses Zukunftsbild ist nicht erstrebenswert, aber das Ergebnis des Nichthandelns.

Daher ist das Erarbeiten einer gemeinsamen Perspektive, eines langfristigen Plans, die Region Osttirols wirtschaftlich, gesellschaftlich, ökologisch und sozial zu gestalten äußerst wichtig.

Quelle: Dolomitenstadt.at

 

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3 Gedanken zu „Wirtschaftsstandort Pustertal

  • 7. Juli 2015 um 8:43
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    Hallo Helmut, die neue Überschrift der TT lautet ja „Ran an die Fördertöpfe“. Ich gebe dir Recht, mich als Gemeindebürger von Anras ärgert, dass zwar Fördertöpfe zur Verfügung stehen, die Gemeinde Anras allerdings bis heute bis auf das Gemeindehaus nicht in der Lage war, gute Vorzeigeprojekte – wie etwa Virgen es vormacht – zu gestalten und entsprechende Förderungen für uns anzuzapfen. Ich begrüße die Aktivitäten des Heimatpflegevereins daher umso mehr. Ich hoffe doch, dass nun mit diesem Team auch einmal Projekte möglich sind, die in der Vergangenheit nicht denkbar waren.

    Hier noch der Artikel aus der TT: Osttirol ist eine von 77 österreichischen Leader-Regionen und hat deshalb Anspruch auf besondere Förderung. Zur Auftaktfeier der neuen Leader-Periode mit Umweltminister Andrä Rupprechter und Nationalrat Hermann Gahr waren Erwin Schiffmann und Michael Hohenwarter vom Regionsmanagement Osttirol (RMO) nach Wien gereist. Das RMO, das die Gelder verwaltet, konnte mit mehr als vier Millionen Euro Leader-Geld überdurchschnittlich viel für den Bezirk herausholen. Weitere europäische Fördertöpf­e lassen die Summe, die zur Verfügung steht, auf 6,5 Millione­n Euro wachsen. Nun sind Gemeinden, Vereine, Unternehmen oder Privat­personen gefragt, gut­e Projekte einzureichen, um das Fördergeld auch auszuschöpfen, sagt RMO-Obmann Erwin Schiffmann. Schwerpunkte sind Mobilität, nachhaltige Energie oder die Stärkung der Lebensqualität auf dem Land.

    Antworten
    • 7. Juli 2015 um 19:26
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      * Stärkung der Lebensqualität auf dem Land

      … was für ein schöne Spruch aber leider nicht viel Wert. Wenn man sich umschaut und sieht, wie die Gemeinden immer mehr ausgedünnt werden, sprich keine Kaufhäuser, Gasthöfe, etc., so sinkt die Lebensqualität in den Dörfen rapide. Dem muss entgegen gewirkt werden. Nicht warten bis mein Nachbar etwas tut sondern jeder sollte bei sich selber anfangen.

      Mit dem Heimatpflegeverein Anras steigt nun wieder einmal die Hoffnung, dass einige endlich den dauernd gleichbleibenden Zustand ändern wollen und auch können. Bin mir sicher, dass ihr stark von den Gemeindebürgen unterstütz werdet. Schöne Grüße fw

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  • 6. Juli 2015 um 16:23
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    Hoffentlich holen wir für Anras auch einmal etwas raus: Artikel aus der TT: Neue Leader-Periode: Sechs Millionen Euro für Osttirol. Mit Geld von EU, Bund und Land sollen Mobilität, Bildung und Tourismus im Bezirk Lienz gefördert werden. Die schriftliche Zusage wird für Ende Mai erwartet. Hohe Arbeitslosigkeit, schwache Kaufkraft und starke Abwanderung sind nur einige der Probleme, mit denen der Bezirk Lienz zu kämpfen hat. Um gegenzusteuern, gibt es Förderungen von EU, Bund und Land aus dem so genannten Leader-Topf. Und da hat Osttirol beste Chancen, auch in den kommenden sechs Jahren wieder Millionen abholen zu können. Denn heuer beginnt die neue Förderperiode, die bis 2020 läuft….

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