Anras
769 Anaras(um), roman. (viell. sogar aus „illyr.“ Wurzel?) was wegen der besonderen Lage (1261m, vom Tale her nicht einsehbar) kaum verwundert: Wenn nicht schon in urgeschichtl. Zeit, so haben die Talbewohner (zw. Abfaltersbach und Mittewald) spätestens während der Wirren der Völkerwanderungszeit wie überall sicher auch hier nach günstigen Rückzugsbereichen gesucht (immerhin will die Überlieferung etwas von einem heidnischen Heiligtum unter St. Anton wissen); ob allerdings die vielen roman. Flur- u. Gehöftnamen aus dieser Epoche oder erst aus dem 8. Jahrhundert stammen ist noch ungeklärt, während Anras selbst ganz sicher auf die Antike zurückgeht (frühe Nennung!).
Jedenfalls war die Anraser Lehne direktes Grenzgebiet zum Slawenland, das östlich des Kristeinbaches (der Name wohl aus slaw. Sicht wegen der Begrenzung des christl. Gebietes entstanden) begann. Ab der zweiten Hälfte des 8. Jhs. spielte Anras sicher eine gewisse Rolle in der Besiedlungsgeschichte Osttirols. Der Kristeinbach blieb weiterhin eine Grenze, und zwar zunächst zwischen den Grafschaften Pustertal (Herzogtum Baiern) u. Lurn (Herzogtum Kärnten) sowie zwischen dem Bistum Brixen und dem Erzbistum Salzburg.
Die Baiern kontrollierten das übrige Pustertal vom Anraser Gebiet an westwärts, wobei allerdings dem Streifen zwischen dem rivolus montis Anarasi (= sicher dem Kristeinbach) und dem Taistener Bach die typische Grenzland-, ja fast sogar Niemandsland-Rolle zufiel. Die bairischen Vorstöße waren durch die guten Beziehungen zu den Langobarden ermöglicht worden, doch verliefen diese nicht immer nur friedlich.
Quelle: "Der Ager Aguntinus" - Eine Bezirkskunde des ältesten Osttirol von Stefan Karwiese Bildmaterial: Tiroler Landesarchiv